Discos
CD Keyboard Music from Three Centuries, Bach, Brahms, Scarlatti, Usandizaga
Juan Carlos Tellechea
Diese schöne neue CD des hervorragenden Organisten enthält neben Werken von Johann Sebastian Bach eine Auswahl weniger bekannter und selten gespielter Kompositionen aus der Romantik und Spätromantik. Darunter von Johannes Brahms drei der Elf Choralvorspiele op 122 sowie sein Präludium und Fuge g-Moll WoO 10. Und von José María Usandizaga den ersten Satz „ Andante“ aus der Fantasia für Violoncello und Orchester (1908) in der 2022 entstandenen von Heinrich Walther selbst geschriebenen Orgelfassung, einem Künstler, der die Musik, die er aufführt, liebt und sich unspektakulär in jedes der ihm vorliegenden Werke vertieft.
, der 1915 im Alter von 28 Jahren viel zu früh verstarb, interessierte sich zunächst für die Orgel, doch seine Interessen waren breiter angelegt. Seine musikalische Sprache war damals die des Orchesters, d.h. die symphonische Poesie, im Genre des Singspiels ("Zarzuela") und in der Oper. Er erwies sich als Meister der Instrumentation und lotete die klanglichen Grenzen auf neue Weise aus, z. B. die höheren Register der Violinen, die Verwendung von Kontrabässen ähnlich den 32' Registern der großen Orgeln.
Eindrucksvolle Ergänzung
Zu dieser Zeit war die Romantik sehr "entwickelt", fast schon ein Ding der Vergangenheit, und der Impressionismus hatte noch einen langen Weg vor sich. Man befand sich noch im Zeitalter der Tonalität. Man spürt in Usandizagas Werken auch die große Bewunderung für César Franck, der für die Musiker der damaligen Zeit eine ähnliche, fast "überväterliche" Bedeutung hatte wie Ludwig van Beethoven für viele Musiker der deutschen Romantik.
Ursprünglich war die Fantasia (track #13) ein Werk für Cello und Klavier. Doch José Marías Bruder Raúl Usandizaga schrieb 1920 eine Fassung für Cello und großes Orchester. Heinrich Walther hat diese Orchesterpartitur für die Orgel bearbeitet und damit das Repertoire für dieses Instrument eindrucksvoll ergänzt.
Das Album Keyboard Music from Three Centuries, Bach, Brahms, Scarlatti, Usandizaga, das im Sommer letzten Jahres in der Pfarrkirche von San Pedro Apóstol, Pola de Siero (Asturien) aufgenommen wurde, beginnt mit der Toccata, dem Adagio und der Fuge in C-Dur BWV 564 (1708). Dieses (für die damalige Zeit) ungewöhnliche Werk des jungen Bach enthält eine Besonderheit, nämlich einen langsamen Satz zwischen der einleitenden Toccata und der Schlussfuge.
Wirbelwind
Das Präludium beginnt mit virtuosen Spiel von großer Klarheit, die dreimal durch den tiefsten Ton des Pedals abrupt gestoppt werden, bevor das Pedal sein eigenes umfangreiches und virtuoses Solo beginnt. Nach höchstens einer oder zwei Minuten wird der Zuhörer buchstäblich von dem Wirbelwind dieses an funkelnden Kontrasten reichen Stücks umhüllt. Walther führt den "Zauberton" der Toccata punktgenau aus.
Das langsame Adagio - Grave, mit seinem fast meditativen Charakter, erweckt einen eher melancholischen Eindruck. Es wirkt fast wie ein Fragment aus einem italienischen Concerto von Antonio Vivaldi oder Tomaso Albinoni. Bach schrieb diesen Satz während seiner eher "italienisch geprägten" Zeit am Weimarer Hof zwischen 1708 und 1717. Die Schlussfuge beginnt mit einer fast tänzerischen Leichtigkeit und endet abrupt nach einer virtuosen Kadenz.
Idee eines langsamen Satzes
Obwohl das melodische Material unverkennbar von Bach stammt, erinnern die ersten Takte der Toccata in Stil und Struktur an Präludium, Fuge und Chaconne in C-Dur von Dietrich Buxtehude (BuxWV 137), den Bach einige Jahre zuvor besucht hatte und dessen Musik seinen Stil deutlich beeinflusste. Andererseits zeigen viele Details des Werks bereits deutlich den Einfluss der italienischen konzertanten Form, bevor Bach um 1713/1714 mit dem neuen Stil von Antonio Vivaldi vertraut wurde. Die Idee eines langsamen Satzes zwischen Präludium und Fuge muss Bach schon seit Jahren gereizt haben.
Heinrich Walther gehört zu den international herausragenden Organisten; er hat wichtiges Orgelrepertoire eingespielt, zahlreiche Werke uraufgeführt und viele Orchesterwerke für Orgel arrangiert.
Er ist seit 1976 im kirchlichen Dienst als Organist tätig, u.a. war er von 2006 bis 2016 Titularorganist der Kirche Saint-Matthieu in Colmar im Elsass. Heinrich Walther lehrt an der Musikhochschule Freiburg und als Professor an der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg.
Die Orgel
Dem Organisten gelingt hier ein meisterhaftes und spektakuläres Spiel mit außergewöhnlicher Energie und Poesie. Das 2013 von Gerhard Grenzing (El Papiol, Provinz Barcelona) gebaute Instrument mit nur 13 Registern auf zwei Manualen und Pedal zeigt mit diesem Programm seine große Stilistik und Vielseitigkeit. Bei der Planung der Orgel wurde der Idee Rechnung getragen, dass sie in der Nähe des Ortes der liturgischen Handlungen stehen sollte, also hier im vorderen Seitenschiff der Kirche anstelle der Empore am hinteren Ende des Schiffs.
Herausragend
Johann Sebastian Bach "übertrifft sich auf der Klaviatur", sagte ein Leipziger Bürgermeister vor rund 300 Jahren über die Kunst des Kantors der evangelischen Thomaskirche in Leipzig; was für alle Komponisten dieser CD gilt. Die Tatsache, dass sich die Orgelklaviaturen ganz auf die Möglichkeiten des Einsatzes von Manualen und Pedalen beziehen, weist auf die schier unerschöpfliche Vielfalt dieses Instruments hin. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Tasteninstrumenten (Cembalo und Orgel) waren lange Zeit noch durchlässiger als sie es heute sind. Cembalo und Orgel verfügen teilweise über ein gemeinsames Repertoire.
Darüber hinaus können Vokal- und Instrumentalwerke für Tasteninstrumente transkribiert werden. All dies ist auf dieser CD zu hören, deren Musik sich in vielen Spannungen entfaltet: retrospektiv und innovativ, originell und arrangiert, emotional, vertraut und vergessen, "frei" und chorisch.
Das Jahr 1685
1685 war aus musikalischer Sicht ein außergewöhnliches Jahr: Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel (im März) und Domenico Scarlatti (im Oktober) wurden in diesem Jahr geboren. Zwei von Scarlattis (mindestens) 555 Klaviersonaten wurden für dieses Album ausgewählt: die Sonate in E-Dur K. 380, L 23, und die Sonate in e-Moll, K. 87, L 33. In einem Vorwort zu seinen Cembalosonaten schrieb Scarlatti:
Leser, ob Laie oder gelehrter Musiker, erwarte in diesen Kompositionen keine tiefsinnige Absicht, sondern ein sinnvolles Geplänkel mit der Kunst, das dich zum kühnen Spiel auf dem Cembalo erziehen soll. Kein persönliches Interesse, kein ehrgeiziges Ziel hat mich veranlasst, sie zu veröffentlichen, sondern nur Erfüllung. Vielleicht finden sie Gefallen bei Ihnen, und ich werde neuen Einladungen, Sie mit einem leichteren und abwechslungsreicheren Stil zu verwöhnen, bereitwilliger folgen. Beurteilen Sie sie also nicht nach Ihren Kritiken, und Sie werden Ihr eigenes Vergnügen steigern.... Lebt glücklich!
Appell an das Wohlwollen
Dies ist eine klassische captatio benevolentiae, ein "Werben um die Gunst des Lesers": das eigene Licht so gut wie möglich verstecken, in der Hoffnung, dass die so betonte Bescheidenheit und Nüchternheit die Sympathie des Gegenübers weckt und kritische Einwände im Keim erstickt.
Scarlatti hielt sich mit dieser Vorrede an die Konventionen der Zeit: Prahlerei war verpönt. Aber vielleicht war diese verbale Taktik mehr als bloßer Gehorsam gegenüber den Konventionen der Rhetorik: Schließlich war der erfolgsverwöhnte Scarlatti in seinem abenteuerlichen Leben mit nahezu jeder Art menschlicher Ressentiments und Aggressionen konfrontiert worden.
In seiner Heimatstadt Neapel, wo der Wettbewerb um die schönsten Opernstimmen und die besten Theaterinszenierungen einen Skandal nach dem anderen provozierte; in Rom, wo die vielen hervorragenden Musiker um die Gunst reicher Kardinäle wetteiferten (und wo er selbst 1709 eine prominente Stellung als Kapellmeister im Privattheater der polnischen Königin erlangt hatte).
Später an den königlichen Höfen von Lissabon und Madrid, wo die Kunst der Intrigen neben der bildenden Kunst blühte. Dennoch blieb Scarlatti der Lieblingskomponist der königlichen Gemahlin Maria Bárbara de Bragança, der Frau Ferdinands VI. Maria Barbara war viele Jahre lang seine Klavierschülerin und er schrieb die meisten seiner Sonaten für sie. Mindestens 555 davon sind in dicken Bänden mit Notenhandschriften und ab 1738 auch im Druck erhalten.
Inspiration
Die Sonaten wurden ursprünglich für Cembalo geschrieben, aber im 19. Jahrhundert waren sie auch auf dem Klavier beliebt: Beethoven und Chopin liebte sie ebenso wie Brahms, der fast 300 Scarlatti-Sonaten in seiner umfangreichen Musikbibliothek hatte. Der Cembalist und Musikforscher Ralph hat Scarlattis Sonaten - und alle seine Kompositionen - gesammelt und geordnet und in einen Werkkatalog aufgenommen: den Kirkpatrick-Katalog (daher das K vor der Sonatennummer).
Heinrich Walther nimmt zwei Sonaten in das Programm auf, weil sie musikgeschichtlich inspirierend sind, mit virtuosen Passagen, oft mit Elementen der Volksmusik. Besonders reizvoll ist die populäre Sonate E-Dur KV 380, L 23 (track #4), aus Scarlattis letzter Zeit als Kapellmeister und Musiklehrer am spanischen Königshof. Die tänzerischen und perkussiven Rhythmen bilden eine wunderbare Einheit mit den melodischen Erfindungen, besonders wenn der Organist das elegante Stück den Flötenstimmen anvertraut und gelegentlich die Vierfußflöte eine Oktave tiefer als "Echo" spielt. Die Sonate in h-Moll K.87, L 33 (track #5) entscheidet sich für einen mehr gesanglichen und linearen Gestus. Auch Palestrinas Erbe lebt weiter. Hier kommt es durch die ausgeprägte klangliche Verschmelzung der Grundstimmen wirkungsvoll zum Ausdruck.
Wieder Bach
Das Album geht weiter mit Präludium und Fuge E-Dur BWV 878 aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier - Teil II. Walther spielte virtuos, nach historischer Aufführungspraxis, mit ehrlicher Emotion, wie es sein Gefühl und seine Musikalität verlangten, und brachte die faszinierende Entfaltung von Bachs Lebenswerk klanglich und kontrapunktisch mit seinem Alltag in Verbindung.
Bach störte sich nicht an Regeln und Hindernissen, er ignorierte sie oder umging sie auf Schritt und Tritt, wenn es um höhere Ziele ging, wie man aus der Lektüre seiner Biographie schließen kann. An dieser Stelle sei kurz daran erinnert, dass Bach 1717 mit der Arbeit an diesem Werk begann, während er 26 Tage im Gefängnis verbrachte, weil er nicht auf die Erlaubnis von Herzog Ernst August I. von Weimar gewartet und seine Entlassung als Konzertmeister nicht beantragt hatte, um auf Einladung des Fürsten Leopold nach Köthen zu reisen, wo er Kapellmeister seiner Hofkapelle werden sollte. Die beiden verband eine lebenslange, historische Freundschaft, die mit der Hochzeit von Leopolds Schwester im Jahr 1716 begann, als Bach im Gefolge von Ernst Augustus in Nienburg erschien.
Leopold interessierte sich für Musik und spielte gelegentlich selbst als Geiger im Orchester mit. Die Köthener Jahre waren für Bach eine äußerst produktive Zeit. Neben der weltlichen Kantate Durchlauchtster Leopold (BWV 173a), die er seinem Gönner widmete, entstanden zahlreiche Instrumentalwerke, Konzerte, Konzerte und Lieder. Zahlreiche Instrumentalwerke, Konzerte, mehrere der Brandenburgischen Konzerte, der erste Teil des Wohltemperierten Klaviers und mehrere Orchestersuiten entstanden dort.
Energisch und unerschrocken
Im Alter von 32 Jahren fühlte sich Bach in Köthen als Dirigent eines exquisiten Ensembles angekommen. Mit der Qualität der zur Verfügung stehenden Musiker ging er die Concerti con multi strumenti nach dem Vorbild Dresdens energisch und unverschämt an.
Zu den weniger erhabenen Aufgaben Bachs gehört es, Fürst Leopold mit dem Cembalo in der Hand zu einem sechswöchigen Kuraufenthalt ins ferne Karlsbad zu begleiten. Bei seiner Rückkehr erwartete ihn unangekündigt die traurige Nachricht vom Tod seiner Frau Maria Barbara.
Wie immer fand Bach Trost in der Kreativität. Im Jahr 1721 schickte er dem Markgrafen Christian von Brandenburg ein Paket mit sechs Konzerten, in denen alle Instrumente - auch das Cembalo - eine Solorolle hatten. Kurze Zeit später heiratete Bach die Hofsängerin Anna Maria Wilcke. Es heißt, dass bei der Hochzeit 300 Liter Rheinwein geflossen sind. So gestärkt konnte Bach das Wohltemperierte Klavier (I. Teil um 1722. II. Teil 1742) in allen 12 Tonarten "zum Nutzen und Gebrauch der lernbegierigen musikalischen Jugend" vollenden.
Er bleibt nicht stehen, er zögert nicht: Leipzig winkt, wo Bach 1723 Thomaskantor und "Director Chori Musici" wird. Obwohl Bach nach Georg Philipp Telemann und Christoph Graupner nur die dritte Wahl ist, befindet er sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Als Musikdirektor der vier Kirchen war es die beste Zeit, jede Menge Choralkantaten und andere prächtige Vokalwerke wie das Magnificat mit dem hervorragend ausgebildeten Kinderchor als "deutsches Werk in italienischer Pracht" in Angriff zu nehmen und aufzuführen. Die Gottesdienste der damaligen Zeit dauerten zwischen drei und vier Stunden, einschließlich einer mindestens 60-minütigen Predigt. Für das umfangreiche musikalische Programm musste Bach sogar Karteikarten verwenden.
Wegweisend
Das Wohltemperierte Klavier ist einer der ersten Versuche in der Musikgeschichte, in allen 24 Dur-Moll-Tonarten für Tasteninstrumente zu komponieren. Das Präludium E-Dur BWV 878 (track #6) wurde häufig als pastorale oder vorklassische Sonate verstanden, als „Musik der Helligkeit und Wärme eines Sommerlandes“, wie der Musikwissenschaftler Hermann Keller schrieb.
Nach dem eher modernen und typisch instrumentalen Präludium ist die Begleitfuge E-Dur (track # 7) ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Bach den stile antico vocal nach dem Vorbild von Giovanni Pierluigi da Palestrina nicht nur in Chorwerken immer wieder aufgreift, hier mit einem Thema, das einen regelrechten "Stammbaum" hat, wie auch der Musikwissenschaftler Alfred Dürr feststellte: Es ist bereits als gregorianisches Motiv bekannt, bevor es von Komponisten wie Johann Caspar David Fischer in seiner Ariadne musica, einem Vorläuferwerk des Wohltemperierten Klaviers, und von Johann Jacob Froberger gefunden oder zumindest angedeutet wurde. In Bachs Satzpaar in E-Dur ergänzen sich die instrumentale Spielfreude des Präludiums und der vokale Ernst der Fuge perfekt...
Johannes Brahms
Brahms setzte in seinen frühen und späteren Jahren als Komponist die Orgel in freien und chorischen Werken ein. Er pflegte eine Art Hassliebe zur Religion. So vertraut er mit Bibel und Kirchenliedern war, so sehr verließ sich der skeptische Komponist bei diesen Elf Choralvorspielen zu Recht auf seine persönliche Religiosität, wie der Organist Heinrich Walther mit Perfektion, Hingabe, Gefühl und Verständnis zeigt.
Den Abendmahlschoral Schmück dich, o liebe Seele, aus der Feder des protestantischen Theologen und Mystikers Johann Franck, kleidet Brahms in eine innige dreiteilige Meditation, die das sakramentale Geheimnis bestaunt. Herzlich tut mich verlangen nach einem selgen Ende war einst ein beliebtes Begräbnislied, und der Komponist setzt die bekannte Melodie im Dreiertakt auf das Pedal.
In dem als "dolce" bezeichneten Choral Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit, dessen Text von Martin Luthers musikalischem Berater Johann Walter stammt, verbirgt sich hinter der vordergründig sommerlichen, naturalistischen Formulierung ein Lied auf die Ewigkeit. Der Sommer ist die Morgenröte der Ewigkeit. Dann: Gott wird Himmel und Erde neu schaffen. Auf diese Verheißung reagiert Brahms religiös-musikalisch, indem er sowohl die Dynamik als auch die Tonalität verändert.
Im Präludium und Fuge g-Moll präsentiert Heinrich Walther den jungen Brahms, damals 24 Jahre alt, in einer unkonventionellen kompositorischen Retrospektive. Die kompositorische Frage war, wie die rhapsodischen und gegen Ende rezitativischen Elemente des stylus phantasticus, die für das Präludium charakteristisch sind, mit Elementen der geordneten Passacaglia, die in der Fuge gelegentlich durchschimmert, zu verbinden sind.
Das Ergebnis ist keine stilistische Kopie, sondern etwas Neues. Brahms greift also auf die Tradition der Orgelmusik zurück, leider nur punktuell. Gewidmet ist das Werk Clara Schumann, auf deren Nachlass es wiederentdeckt wurde.
Schübler-Choräle
Aus Bachs Sechs Chorälen verschiedener Art (Schübler Choräle) wählt Heinrich Walther zwei aus: Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ (BWV 649) und Wer nur den lieben Gott lässt walten (BWV 647). Ersterer ist ein Hymnus, der die Begegnung der Jünger Jesu in Emmaus (Lukas) aufgreift. Ursprünglich eine Chorarie aus der Kantate Bleib bei uns, denn es will Abend werden für den zweiten Ostertag. Der zweite Satz ist ursprünglich ein lockerer und freudiger Satz aus der gleichnamigen Kantate, auf den Vers Er kennt die rechten Freudenstunden. In der Orgelfassung übernimmt das Pedal die Melodie im 4' Register. Der Originaltitel verdeutlicht wohl am besten den Inhalt des Liedes. Die Schübler-Choräle sind nach dem Zellaer Notenstecher benannt, dem Bach diesen Abdruck anvertraut hat.
Modell
Die Passacaglia in c-Moll BWV 582 (track #16) schließt dieses Album prächtig ab. Bach komponierte sie mit 20 Variationen. Sie besteht aus zwei Sätzen, der eigentlichen Passacaglia und einer Fuge. Wahrscheinlich ein recht frühes Werk, ist es eine seiner wichtigsten und bekanntesten Kompositionen und hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Passacaglien des 19. und 20. Jahrhunderts.
Die erste Hälfte des Ostinato-Themas, das auch als Fugenthema dient und zunächst als Solo im Pedal und dann ständig in allen Stimmen vorkommt, erinnert an Buxtehude, findet sich aber auch in einer Orgelmesse von André Raison: im Christe als Trio en passacaille.
Es ist möglich, dass die zweite Hälfte des Ostinato ebenfalls von Raison stammt, da sie der Basslinie von Christe: Trio en chaconne de la Messe du sixième ton aus demselben Buch sehr ähnlich ist. Neben dem Einfluss von Raison geht das Werk deutlich auf die norddeutsche Orgeltradition und ihre Ostinato-Werke zurück - insbesondere auf zwei Chaconnes (BuxWV 159-160) und eine Passacaglia (BuxWV 161) von Buxtehude - und ist in einigen Variationen und in der Gesamtstruktur deutlich von Johann Pachelbels Chaconnes beeinflusst. Dem ''musikalischen Architekten'', der Bach war, gelingt es hier, die norddeutsche und die französische Tradition auf überzeugende Weise zu verschmelzen.
Meisterhaft
Die Fuge zeichnet sich durch kontrapunktische Meisterschaft aus, in der Bach das Thema der Passacaglia organisch mit zwei Gegenthemen verknüpft. Die Frage, wie dasselbe Thema in all seinen zunächst verborgenen Facetten und Möglichkeiten auf der Orgel eingesetzt werden kann, sollte Bach sein Leben lang beschäftigen.
Die Passacaglia geht nahtlos in die folgende Fuge über. Nur die erste Hälfte des Themas wird als Thema der Fuge verwendet; eine pulsierende Transformation des zweiten Teils in Achtelnoten erscheint als Gegenthema. Beide Hälften sind gleich zu Beginn gleichzeitig zu hören, gefolgt von einem zweiten Gegenthema in Sechzehntelnoten, das auch in der gesamten Komposition verwendet wird.
Durch die Handhabung der Kombination der drei Themen lässt sich hier von einer Permutationsfuge sprechen, die möglicherweise inspiriert ist durch die Werke von Johann Adam .
Schönheit des Klangs
Im weiteren Verlauf der Fuge moduliert Bach nach Es- und B-Dur, und die Zeit zwischen den Themeneinsätzen erhöht sich von einem bis drei Takten auf sieben bis dreizehn. Die Entwicklung gipfelt in einem neapolitanischen Sextakkord (Des-Dur), der für die damals übliche mitteltönige Stimmung sehr ungewöhnlich ist und den Weg für die achttaktige Coda frei macht.
Das autographe Manuskript gilt heute als verschollen; wie viele Kompositionen Bachs und seiner Zeitgenossen ist das Werk nur in Abschriften überliefert. Wahrscheinlich war es ursprünglich für Orgel oder Pedalcembalo geschrieben. Das genaue Datum der Komposition ist ungewiss, aber die Quellen weisen auf die Zeit zwischen 1706 und 1713 hin. Möglicherweise entstand es in Arnstadt kurz nach Bachs Rückkehr aus Lübeck, wo er vermutlich die entsprechenden Werke von Dietrich Buxtehude kennen lernte.
Der Gesamteindruck dieses schönen Albums ist der einer sehr verinnerlichten, unaufdringlichen Klangwelt. Dennoch kann man sich der Klangschönheit, die von diesen Stücken ausgeht, nicht entziehen, vor allem nicht bei den späteren Stücken. Sie werden von der großartigen Gerhard-Grenzing-Orgel 13/II (El Papiol, Spanien, 2013) erhellt, die in allen Registern extrem klar klingt und auf der Heinrich Walther seine hervorragende Spieltechnik darbietet.
Walther gelingt es, dank der reichhaltigen klanglichen und konzeptuellen Möglichkeiten des Instruments auch die kleinsten Intentionen der Komponisten umzusetzen. Die exzellente Tonaufnahme in der Pfarrkirche San Pedro Apóstol in Pola de Siero, Asturien, durch den Tonmeister Klaus Faika, vermittelt dem Hörer ein lebendiges Raumgefühl und eine wunderbare Nähe zum Organisten.
Comentarios